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SABRINA INDERBITZI, 07. Februar 2023

Die im Zürcher Oberland aufgewachsene Sabrina Inderbitzi ist eine begnadete Unterwasser Foto- und Videografin. Ihre Bilder und Videos bringen vor allem auch „Nichttauchern“ die wunderschönen Unterwasserwelten sehr nah. In diesem Blogpost erzählt sie uns von Hai-Fütterungstauchgängen in Fuvamulah. Dabei geht sie der Frage nach, wie solche Arten von Tauch-Tourismus nachhaltig sinnvoll durchgeführt werden sollten.

Ich bin hier in Fuvamulah. Fuvamulah ist momentan der „Place to be“. Täglich werden viele Fotos von den hier ansässigen Tigerhaien auf Instagram und Facebook gepostet. Jede Tauchsafari, die etwas auf sich hält und in den Süden fährt, muss Fuvamulah auf dem Programm haben und Tauchbasen an Land schiessen wie Pilze aus dem Boden. Spätestens seit „Behind the Mask“ hier war, will jetzt jeder hier hin. Mich interessiert, welche Auswirkungen dieser touristische Run auf die Tigerhaie und die Insel hat.

„In einer idealen Welt sollten wir keine Haie anfüttern, nur damit wir sie sehen können. Wir leben aber nicht in einer idealen Welt und die grossen charismatischen Haie sind leider alle vom Aussterben bedroht. Mit dem Tauchtourismus geben wir den Haien einen Wert und können sie so erforschen und schützen.“

Lennart Voßgätter, Meeresbiologe und Tigerhai-Spezialist

Ich bin skeptisch, was Hai-Fütterungstauchgänge angeht. Darum hab ich das bis jetzt noch nie gemacht. Jetzt möchte ich das ändern und mir selber mal ein Bild davon machen. Ich habe mich vorab informiert und bei den ansässigen Tauchschulen erkundigt, wie getaucht und ob gefüttert wird. Mir ist nachhaltiges Tauchen wichtig. Fuvamulah Dive schreibt mir, dass sie nicht füttern, sondern nur ködern. Das finde ich schon mal nicht schlecht und auch sonst scheint es mir die vertrauenswürdigste Tauchbasis auf Fuvamulah zu sein. Ich gebe dem Ganzen also eine Chance.

Ein Tauchgang in der Hafeneinfahrt

Bevor hier die erste Tauchschule anfing, die Haie anzufüttern, waren es die Fischer, die ihre täglichen Fischabfälle im Hafen entsorgten und so die Haie anlockten. Tiger Zoo heisst der Tauchplatz, der darum mitten in der Hafeneinfahrt liegt. Ob da der Name auch Programm ist?

Jeden Tag steht mindestens ein Tigerhai-Tauchgang auf dem Tauchplan. Heute ist es der Nachmittags-Tauchgang. Vorher waren wir an zwei Aussenriffen auf Fuchshaisuche. Leider ohne Erfolg. Alle freuen sich darum besonders auf den bevorstehenden Tigerhai-Tauchgang.

Plötzlich habe ich eine Eisenstange am Jacket. Verwundert frage ich die Guides, was ich damit machen soll. Die Antwort verwirrt mich nur noch mehr: „Ah, du brauchst keine, du hast ja eine Kamera“. Dann fahren wir ohne spezifisches Briefing raus und springen kurz nach der Hafeneinfahrt ins Wasser. Mit mir 16 Mittaucher, teilweise totale Anfänger und vier Guides.

Chaos Tauchgang mit 16 Tauchern

Die Sicht ist schlecht. Richtig aufgewühlt durch die hohen Wellen der letzten Tage. Wir schwimmen zum Drop Off, wo soeben die vorherige Gruppe den Tauchplatz verlässt. Hier ist alles durchgetaktet. Jede Tauchgruppe darf 30 Minuten mit den Tigerhaien unter Wasser sein. Ich sehe, wie einer der Guides einen Thunfischkopf herumschwingt, damit das Blut ins Wasser gelangt und ihn dann den Drop Off runterwirft. Die restlichen Fischköpfe verstecken die Guides unter Steinen. Das versteht man hier also unter nur anlocken und nicht füttern. Wegen der starken Dünung können wir nicht zu weit auf das Plateau in der Hafeneinfahrt tauchen. Also liegen wir am Drop Off, hinter uns das Blaue und vor uns die Sandfläche mit der Beute. Von hinten kommen die ersten Tigerhaie rauf. Die Haie so im Nacken empfinde ich nicht als sehr angenehm. Die Guides decken uns zwar mit den Eisenstangen den Rücken. Trotzdem hätte ich diese bis zu 5 m langen Tiere selber gerne im Blick. Wir hängen also dort am Drop Off, mit schlechter Sicht, 20 Tauchern und mit 20 und mehr Tigerhaien um uns herum, während die Guides ununterbrochen mit ihren Eisenstangen an die Flasche klopfen. Um mich herum 16 Taucher, die alle möglichst nah an die Tigerhaie wollen und mir ihre Flossen um die Ohren schlagen. Einer liegt mit einem Selfie-Stick in einer Hand und einer Kamera in der anderen noch vielleicht 30 cm vor den fressenden Haien. Während von hinten, von links und rechts überall Tigerhaie heranschwimmen, müssen die Guides den unbelehrbaren Taucher die ganze Zeit zurückholen, damit der nicht zu nah an den Haien ist. Es herrscht Chaos pur und mir wird es langsam etwas mulmig bei so viel Hektik und Futter im Wasser.

Dann plötzlich findet einer der grossen Haie einen der Thunfischköpfe, reisst ihn raus, schwimmt über den ganzen Tauchplatz und legt damit eine neue Duftspur. Da nun überall im Wasser der Köderduft verteilt ist, wird es noch unkontrollierbarer. Die Haie kommen von allen Seiten und ich habe keine Chance mehr, alle im Blick zu behalten. Dann plötzlich lautes Geklopfe. Wir müssen weg vom Tiger Zoo. Unsere 30 Minuten sind um. Die nächste Gruppe ist an der Reihe.

Ein Tigerhai schnappt sich einen Thunfischkopf und schwimmt damit über den ganzen Tauchplatz

Ich bin fast ein bisschen froh, dass dieses Chaos ein Ende findet. Oder doch noch nicht? Die ganze Truppe schwimmt am Riff entlang raus ins Blaue. Die Tigerhaie schwimmen zwischen uns durch und einer folgt uns sogar bis zur Oberfläche. So im Blauen ist das ziemlich unheimlich. Für mich war das alles andere als ein entspannter Tauchgang und ich bin enttäuscht über diese chaotische Durchführung mit 16 Tauchern. Ich frage mich, wann hier etwas passiert, wenn das so weitergeht.

Zurück an Land, beklage ich mich bei der Tauchbasis und bitte darum, kleinere Gruppen zu machen, die überschaubarer sind. Die Tauchgänge kosten immerhin 90 $ und das ist es mir dann doch nicht wert.

Nach diesem Tauchgang lerne ich Lenny Voßgätter kennen. Er ist Meeresbiologe und seit bald einem Jahr bei Fuvamulah Dive. Er studiert primär die Tigerhaipopulation hier in Fuvamulah für seine Masterarbeit. Es ist ihm aber auch ein Anliegen, das Tigerhai-Tauchen besser zu regeln. Leider ist das nicht so einfach. Es ist eine Gratwanderung. Einerseits kann er hier täglich die wohl grösste Tigerhaipopulation der Welt beobachten und seine Daten sammeln, anderseits wird er immer mit dem Sensations-Tourismus konfrontiert. Viele der Tauchbasen sind vor allem am schnellen Geld und nicht an nachhaltigem Tourismus interessiert. Die Tauchschule Fuvamulah Dive ermöglicht ihm immerhin hier, seine Forschung zu machen. Also täglich mit den Haien zu tauchen und auf der Insel zu wohnen.

Lenny fotografiert die Tigerhaie, um sie zu identifizieren

Gibt es den perfekten Fütterungstauchgang überhaupt?

Am nächsten Tag dann die Überraschung. Wir sind nur sechs Taucher. Die Tauchbasis hat meine und die Beschwerde anderer ernst genommen und zwei Tauchgruppen gemacht. Auch sind heute nur erfahrene Taucher dabei, denn für Anfänger ist das eigentlich nichts. Ich gebe dem Ganzen also nochmals eine Chance. Lenny begleitet heute den Tauchgang. Er gibt ein umfassendes Briefing und erklärt, auf was man achten sollte. Immer Blickkontakt halten mit dem Hai, wissen, wo sich der Hai befindet, ruhig verhalten und alle in einer Gruppe bleiben, sind die obersten Gebote.

Am späteren Nachmittag springen wir also wieder in die Hafeneinfahrt und schon beim Abtauchen zeigt sich ein ganz anderes Bild. Die Dünung ist nicht mehr so stark wie gestern und die Sicht ist um einiges besser. Durch die flache Sonne entstehen wunderbare Strahlen im Wasser. Die Guides verstecken die Fischköpfe, dieses Mal unter den Steinen. Wir sitzen im Sand, weiter weg vom Drop Off und die Haie kommen. Dieses Mal ist es etwas ganz Anderes. Wir sitzen einfach dort und schauen den Haien zu, die teils richtig nahekommen. Ich fühle mich so aber viel sicherer als gestern, weil ich die Haie gut im Auge behalten kann. Ein Tauchgang ganz nach Lennys Vorstellung. „Also für mich persönlich wäre es natürlich am schönsten, mit so wenig Tauchern wie möglich im Wasser zu sein, mit wenig Futter im Wasser, so dass die Haie da sind, aber nichts fressen und einfach um uns herumschwimmen und nachher wieder ihren normalen Tätigkeiten nachgehen können.“

Die wahrscheinlich grösste Tigerhaipopulation der Welt.

Lenny ist ganz aufgeregt nach dem Tauchgang. „Da war ‹Leela›, ein Weibchen, das vor ein paar Wochen noch hochschwanger war“, erzählt er begeistert auf dem Boot. Er hat sie fotografiert und wird sie mit den älteren Fotos vergleichen. Tatsächlich. Leela war sieben Wochen weg und hat in der Zwischenzeit gebärt. Leider weiss man bis jetzt nicht wo. Sender anbringen an schwangeren Tigerhaien und so herausfinden, wo sie gebären, darf er bis jetzt nicht. Dafür fehlt ihm die Bewilligung. Er darf hier nur beobachten und Individuen identifizieren. Immerhin. „Bis jetzt haben wir 180 unterschiedliche Tigerhaie identifiziert. Eine riesengrosse Population.“ Im Vergleich zu den Bahamas. Dort sind es zwischen zwanzig und dreissig Individuen und schon da wird von einer grossen Population gesprochen. 180 Individuen ist also eine gigantische Anzahl Tigerhaie.

Für mich war dieser Tauchgang ein bisschen wie eine Versöhnung. Ich bin zwar nach wie vor skeptisch, weil ich das Gefühl habe, dass es das Verhalten der Tiere sehr verändert. Auch wenn Lenny nicht begeistert ist vom Anfüttern, denkt er, dass sich das allgemeine Verhalten nicht allzu sehr verändern wird. „Heute sind zehn hier und morgen wieder zehn andere. Es ist so eine grosse Population, dass es nicht genug Futter für alle Tiere gibt und die Haie trotzdem noch selber jagen müssen.“

Mein Fazit nach meiner Zeit in Fuvamulah: Ich habs gesehen, es war interessant und eindrücklich, diese charismatischen und gigantischen Haie so nah zu erleben, aber jeden Tauchurlaub muss ich das nicht machen. Ich denke, wenn es verantwortungsvoll, geregelt und mit wenigen Tauchern gemacht wird, kann ich es tatsächlich einigermassen verantworten.

Über Fuvamulah

Fuvamulah erreicht man mit einem ca. einstündigen Inlandflug ab Malé. Schon beim Anflug wird klar, diese Insel ist anders. Nicht so, wie man sich die Malediven vorstellt. Rau, steinig, ursprünglich, ohne Luxusresorts. Fuvamulah ist eine „local island“ mit Guesthouse und ein paar Restaurants. Wer Luxus sucht, wird hier enttäuscht. Dafür gibt es hier lange wilde Strände, zuvorkommende, herzliche Bewohner, die immer gerne zu einem Schwatz bereit sind, und ja, die Tigerhaie.

Ich bin hier als alleinreisende Frau. Das findet man zwar schon etwas komisch, aber man gewöhnt sich langsam ein bisschen an die Touristen. Einen Bikini-Beach gibt es hier noch keinen. Als Frau muss man sich also an die moslemischen Gepflogenheiten halten und sollte nicht im Bikini an den Strand. Schnorchel, T-Shirt und Hose bis zu den Knien wären am besten.


Sabrina Inderbitzi

Film Production / Underwater Camera / Video Editor

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